Anton Larcher
Landesjägermeister von Tirol
Jagd in Tirol 09/2020 3
Die Tiroler Jägerschaft und der Tiroler Jägerverband – und das gilt es immer wieder klarzustellen – sind mit der Rückkehr, der Rückholung und dem Management von großen Raubtieren wie Wolf und Bär lediglich als Beobachter und bisweilen als Berater befasst. Wir haben zwar seit Jahren nachweislich vor anstehenden und entstehenden Problembereichen gewarnt und auch stets die Gefährlichkeit von Wolf und Bär zu erläutern versucht, wurden jedoch von den „Experten“ nur rudimentär zu Rate gezogen. Uns ist es auch nie darum gegangen, auf diese sogenannten Beutegreifer „jagen“ zu gehen. Vielmehr habe ich an dieser Stelle mehrfach unsere Ablehnung zum Ausdruck gebracht, die Suppe, die uns zoologische Romantiker und Ideologen eingebrockt haben, auszulöffeln. Seitens des Dachverbandes aller österreichischen Jagdverbände gibt es zudem seit 2016 ein Strategiepapier zu den sogenannten „großen Beutegreifern“. Wenn sich nun in Tirol ein Verein „gründet“, der sich mit Wolf und Bär befasst und seitens der Hauptakteure in den letzten Jahren wenig bis nichts zum Thema zu hören war, darf die Frage nach der Ernsthaftigkeit dieser Maßnahmen gestellt werden. Jedenfalls nützen in Tirol getätigte Lippenbekenntnisse und Sonntagsreden wenig, wenn man in Wien und Brüssel offensichtlich bisher noch viel zu wenig „Laut“ gegeben hat.
Ich freue mich aber, das unser Landeshauptmann jetzt eine klare Position zu diesem Thema eingenommen hat – auch im Wissen, dass Brüssel davon wenig beeindruckt sein wird. Wie in vielen meiner öffentlichen Auftritte schon vor Jahren kundgetan, wird eine mögliche Änderung des Schutzstatus nur durch die Evaluierung der Definition des „günstigen Erhaltungszustandes einer Wildart“ von derzeit „nationaler Ebene“ auf künftig „EU-Ebene“ zugelassen. Gleichzeit fehlt bis dato ein europaweites, einheitliches Monitoring und Management, eine öffentlich zugängliche zentrale Datenbank sowie einheitliche Richtlinien, um DNA-Proben vergleichbar zu machen.
Direkte Begegnungen mit Bär und Wolf mit schweren Folgen werden stattfinden – zu eng ist der Siedlungsraum in den Europäischen Alpen und zu hoch ist der Nutzungsdruck auf unsere Kulturlandschaft, als dass man hier von einer dauerhaften friedlichen Koexistenz reden könnte. Wer von Herdenschutz spricht, der soll auch sagen, dass man dazu Hunde einsetzt, die ihre Herde gnadenlos verteidigen – mitunter auch gegen menschliche Eindringlinge (Wanderer, Touristen, Schwammerlsucher u. dgl.). Was man nahezu unbesiedelten Apennin, in Anatolien oder am Balkan alternativlos ist und mehr oder weniger gut funktioniert, das stellt eine zusätzliche Gefahr dar, wenn man es in Tirol, Bayern oder der Schweiz ausprobiert. Hier werden Experimente auf dem Rücken von harmlosen Weidetiere, Landwirten, Gästen und nicht zuletzt der heimischen Bevölkerung politisch unterstützt, weil die an sich zuständigen EU-Bürokraten und leider auch die meisten EU-Politiker nicht den Mut aufbringen, die Wahrheit zu sagen: Wolf und Bär haben in einer derart dicht besiedelten Region wie den Alpen in Tirol keinen Platz und stellen nicht zur für Schafe und Rinder, sondern auch für Menschen eine direkte und nicht zu unterschätzende Gefahr dar.
Wollen wir Almen, auf denen wehrhafte Herdenschutzhunde wie Kangal, Komondor oder Kuvasz umherstreifen?
Wollen wir der ohnehin unter massivem Druck stehenden Almwirtschaft den endgültigen Todesstoß versetzen?
Und wollen wir selbst riskieren, dereinst einem Großraubtier oder gar einem Rudel dieser klugen und anpassungsfähigen Räuber gegenüberzustehen?
Es sind dabei nicht unsere Wildtiere, um die sich die Tiroler Jägerschaft Sorgen machen muss – solange sich Bär und Wolf an Weide- und Nutztieren gütlich tun können. Aber es sind unsere Wälder, die bei verstärktem Aufkommen von großen Raubtieren noch mehr unter Druck gerate, weil sich vor allem das Rotwild nach Angriffen im Winterfütterungsbereich nicht mehr aus den Einständen wagt und dort für vermeidbare Wildschäden sorgt. Schäden für die kein Jagdpächter verantwortlich gemacht werden kann – Schäden, die man direkt mit jenen verrechnen sollte, die der Öffentlichkeit Sand in die Augen streuen, indem gebetsmühlenartig gepredigt wird, dass es ein dauerhaftes Miteinander mit Bär und Wolf geben kann. Da dies allerdings auf absehbare Zeit nicht umsetzbar sein wird, werde ich in Abstimmung mit dem Präsidium des TJV der anstehenden Vollversammlung des Tiroler Jägerverbandes vorschlagen, künftig nicht mehr wie bisher die Schäden von Großraubtieren für gerissene Weide- und Nutztiere in Tirol zu ersetzen, sondern jenen Jagdpächtern zur Seite zu stehen, die aufgrund von Großraubtieren höhere Wildschäden zu tragen haben.
Wir Jäger haben Bär und Wolf nicht zurückgeholt, heben kein Interesse daran, diese Tiere zu bejagen und schon gar kein Interesse daran, im Notfall auszurücken und dafür von allerlei militanten Gruppen die Prügel einzustecken.
Denn hier eine langsame Eskalation vorzubereiten, Millionen ans Steuergelder zu verbrauchen und zu warten, bis tatsächlich etwas passiert, ist ein gefährliches Spiel, an dem sich der Tiroler Jägerverband nicht beteiligen will.
Wir bleiben aber selbstverständlich die Partner vor Ort, wenn es darum geht, Wissen und Eindrücke zu sammeln und stehen echten Lösungsansätzen offen gegenüber. Die Zeit des Theaterdonners aber, die muss rasch beendet werden. Dann kann Tirol, dann können unsere Partner in den Revieren und vor Ort auf uns zählen!
Weidmannsheil!
Wenn doch der Deutsche Jagdverband, oder wenigstens LJV in stark betroffenen Bundesländern, einmal so klar Stellung beziehen würden.
Nein, wir sehen ratlos zu wie ganze Landstriche leergerissen werden und schweigen weiter…